Diagnostik

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    Molekulargenetische Diagnostik

    Die molekulargenetische Diagnostik ist eine Stufendiagnostik (Abbildung 3) und beginnt in der Regel mit der Methylierungsanalyse des SNRPN/SNHG14-Gens, das in der geprägten Region 15q11q13 liegt. Normalerweise ist das mütterliche Allel methyliert und das väterliche Allel unmethyliert. Beim Angelman-Syndrom gibt es nur unmethylierte Allele, wenn die Ursache für die Erkrankung eine Deletion 15q11q13, eine paternale uniparentale Disomie 15 oder ein Imprintingfehler ist.
    Für die Methylierungsanalyse eignet sich DNA aus EDTA-Blut des Probanden. Eine solche Methylierungsanalyse kann mit unterschiedlichen Methoden durchgeführt werden. Die zurzeit am häufigsten genutzte Methode ist die methylierungsspezifische (MS)-MLPA (multiplex ligation-dependent probe amplification). Mit dieser Methode kann man die Methylierung und die Gendosis parallel untersuchen, d.h. man kann das Vorliegen einer Deletion direkt nachweisen oder ausschließen. Kann man keine Methylierung nachweisen und zeigen die Sonden für die Angelman-Syndrom Region nur die halbe Dosis (50%), dann liegt ein Angelman-Syndrom aufgrund einer großen Deletion auf dem mütterlichen Chromosom vor. Ist keine Methylierung nachweisbar, aber die Dosis aller Sonden normal (100%), dann liegt entweder eine paternale uniparentale Disomie 15 oder ein Imprintingfehler vor. Um zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu unterscheiden, muss eine weiterführende Untersuchung auf Familienebene durchgeführt werden. Dazu führt man eine sogenannte Mikrosatellitenanalyse durch. Mit dieser Methode kann man herausfinden, ob eine paternale uniparentale Disomie 15 vorliegt oder ob der Patient ein Chromosom 15 von der Mutter und ein Chromosom 15 vom Vater geerbt hat. Ist letzteres der Fall, dann beruht das Fehlen der Methylierung auf einem Imprintingfehler. Eine Imprintingcenter-Deletion, die ja mit einem erhöhten Wiederholungsrisiko verbunden sein kann, wird mit der MS-MLPA miterfasst.
    Im Falle einer großen Deletion und einer uniparentalen Disomie wird eine Chromosomenanalyse der Eltern und des Patienten empfohlen, um Umstrukturierungen der Chromosomen auszuschließen, die mit einem erhöhten Wiederholungsrisiko verbunden sind.
    Beim Angelman-Syndrom kann in einzelnen, seltenen Fällen eine schwache Methylierung des mütterlichen Allels detektierbar sein. Dies kann ein Hinweis auf ein somatisches Mosaik sein (siehe Imprintingfehler). Zur weiteren Abklärung ist eine Mikrosatellitenanalyse an DNA der Eltern und des Patienten erforderlich. Sollte diese ein biparentales Vererbungsmuster der Chromosomen 15 beim Patienten zeigen, deutet das im Zusammenhang mit dem auffälligen Methylierungsmuster auf einen Imprintingfehler im Mosaik hin.
    Ist die Methylierung normal, d.h. das mütterliche Allel ist methyliert, dann ist das Vorliegen einer Deletion, einer uniparentalen Disomie und eines Imprintingfehlers ausgeschlossen. Besteht weiterhin der klinische Verdacht auf AS, sollte eine UBE3A-Mutationsanalyse erfolgen. Dazu wird eine Sequenzierung des UBE3A-Gens durchgeführt. Wird bei dem Probanden eine UBE3A-Mutation nachgewiesen, wird auch der Mutter und gegebenenfalls weiteren Familienangehörigen die Untersuchung angeboten. Ist bei einem Patienten auch eine UBE3A-Mutation ausgeschlossen worden, muss an eine Differentialdiagnose gedacht werden.

    Klinische Diagnostik und Differentialdiagnostik

    Die Verdachtsdiagnose eines Angelman-Syndroms wird in der Regel von einem Neuropädiater oder einem Klinischen Genetiker gestellt. Anlass der Vorstellung ist meistens eine Entwicklungsverzögerung, die den Eltern oder dem Kinderarzt auffällt. Bei der klinischen Vorstellung wird eine Anamnese erhoben, das Kind körperlich untersucht, eine Entwicklungsdiagnostik durchgeführt sowie weitere Untersuchungen wie ein Elektroencephalogramm (EEG) und Blutuntersuchungen veranlasst. Im EEG gibt es charakteristische Muster für das Angelman-Syndrom. Da das Kind in seine Diagnose “hineinwächst”, ist die Diagnosestellung bei einem kleinen Kind schwierig. Folgende klinische Befunde gibt es häufig bei Kindern mit Angelman-Syndrom (nicht alle Zeichen müssen vorliegen):

      1. Normale Geburtsvorgeschichte mit normalem Kopfumfang und Abwesenheit schwerer Geburtsfehler. Bei Neugeborenen und Säuglingen können Ernährungsprobleme auftreten.
      2. Entwicklungsstörung, die im Alter von 6-12 Monaten auftritt, manchmal verbunden mit einer stammbetonten Muskelschwäche. Unregelmäßige Bewegungen der Gliedmaßen, später Gangunsicherheiten.
      3. Verzögerter Entwicklungsfortschritt, aber kein Verlust von Fähigkeiten
      4. Keine Sprachentwicklung
      5. Krampfanfälle
      6. Freundliches Wesen
      7. Normale metabolische, hämatologische und chemische Laborergebnisse
      8. Strukturell normales Gehirn mit MRT oder CT
      9. Abnormales EEG

    Mit Hilfe der oben genannten genetischen Tests wird die Verdachtsdiagnose bestätigt. Ein unauffälliger Test schließt ein Angelman-Syndrom aber nicht unbedingt aus, da bei einem kleinen Teil der Patienten eine unbekannte Ursache vorliegen kann. Differentialdiagnostisch sollte an Erkrankungen gedacht werden, die klinisch stark mit dem Angelman-Syndrom überlappen. Hierzu zählen die folgenden Mikrodeletionssyndrome (betroffene chromosomale Region in Klammern): Phelan-McDermid-Syndrom (22q13.3), MBD5 Haploinsuffizienz-Syndrom (2q23.1) und Koolen-De-Vries -Syndrom (17q21.31).

    Darüber hinaus kommen auch Einzelgen-Erkrankungen in Frage:

    Rett-Syndrom (Mädchen): Mutationen in MECP2 (Xq28), Intelligenzminderung, Gangunsicherheiten, Krampfanfälle, fehlende Sprache, stereotype Handbewegungen, Entwicklungsrückschritte.

      1. Pitt-Hopkins-Syndrom: Mutationen in TCF4 (18q21), Intelligenzminderung, breites Gangbild, offener Mund, freundliches Wesen, wenig Sprache, Hyperventilation.
      2. X gekoppeltes Christianson-Syndrom: Mutationen in SLC9A6 (Xq26.3), Intelligenzminderung, kleiner Kopfumfang, Krampfanfälle, freundliches Wesen, Gangunsicherheiten, Fortschreitende motorische Beeinträchtigung und Muskelschwund in den Teenagerjahren.
      3. Mowat-Wilson-Syndrom: Mutationen in ZEB2 (2q22.3), Intelligenzminderung, kleiner Kopfumfang, Verstopfung, Balkenagenesie, auffälliges Gesicht.

    Zur Bestätigung einer dieser Erkrankungen können die betroffenen Gene gezielt untersucht werden, oder zusammen in einem sogenannten Genpanel. Für genomweite Untersuchungen kann die Gendosis mit Hilfe von Mikroarrays bestimmt werden oder alle Gene (Exom) sequenziert werden.

    Übersicht über die Stufendiagnostik bei Verdacht auf Angelman-Syndrom.
    Quelle: Prof. Dr. Bernhard Horsthemke, Dr. Jasmin Beygo und Dr. Karin Buiting, Universitätsklinikum Essen

    Weiterführende Literatur

    • Albrecht B und Buiting K. (2010) Prader-Willi- und Angelman-Syndrom. Medizinische Genetik, Band 22, Heft 4, 392-398.
    • Dagli A, Buiting K and Williams C.A. (2012). Molecular and Clinical Aspects of Angelman Syndrome. Mol Syndromol 2, 100-112.
    • Buiting, K., Williams, C., and Horsthemke, B. (2016). Angelman syndrome – insights into a rare neurogenetic disorder. Nat Rev Neurol 12, 584-593.

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